Detlev
Meyer
"Das Sonnenkind"
Aufbau Verlag Berlin 2001
188 Seiten, 16,50 €
Carsten Scholze ist ein aufgeweckter neunjähriger Junge
und Liebling aller Anwohner des Berliner Truseweges. Ob seines freundlichen und
manchmal sehr altklugen Wesens wird er von allen Anwohnern der Straße das
"Sonnenkind" genannt. An der Seite seines Großvaters Max Wollin,
einem alternden Bonvivant, fühlt sich Carsten am wohlsten; vor allem, wenn die gemeinsamen
Spaziergänge in das legendäre Café Kranzler führen oder er zu einer Fahrt
mit dem Taxi eingeladen wird.
Carsten ist fasziniert von der Lebenswelt seines Großvaters, den neben seiner
Ehefrau ein bereits Jahrzehnte währendes Verhältnis mit seiner ehemaligen
Sekretärin, Fräulein Reeskow, verbindet. Das Leben könnte für den
Neunjährigen auf ewig so weiter gehen. Er fühlt sich glücklich in der kleinen
Welt des Truseweges im Stadtbezirk Neukölln.
Doch verdecken eines Tages dunkle Wolken das sonnige Idyll, als der Großvater
erkrankt und sich, für seinen Enkel unverständlich, sonderbar zu benehmen
beginnt.
In seinem postum erschienenen Roman "Das Sonnenkind" erzählt der 1999 verstorbene
Autor und Journalist Detlev Meyer die sorgenfreie Welt einer Kindheit im Berlin der
Nachkriegszeit.
Mit leichter Melancholie erzählt Meyer Geschichten aus dem Mikrokosmos einer
Berliner Straße. Liebevoll portraitiert er deren Anwohner, begleitet erzählend
ihre Geschichten aus dem Blickwinkel des Kindes, welches er einmal war. Ein
Hauch Abschied vom Leben klingt leise in dieser Erinnerung glückseliger
Kindheitstage. Vielleicht ahnte Detlev Meyer seinen nahenden Tod, doch gelang
ihm mit diesem Roman letztmalig ein Stück bewegender Prosa, gekonnt virtuos und
mit einer Prise Ironie erzählt.
© Torsten Seewitz, 27.03.2001