Tim
Moeck
"Sommersturm"
Aufbau Taschenbuch Verlag Berlin 2004
176 S.; 7,50 Euro
Dass "Sommersturm" auf dem Münchner
Filmfest 2004 den Publikumspreis von Bayern 3 erhalten hat erfreut, umso mehr
als dass das Thema dieses Filmes und dessen Umsetzung so gar nicht in die
oberflächliche und bunte Kinowelt passen. Marco Kreuzpainter erzählt in seinem
zweiten Film die Geschichte eines Coming Outs, jedoch nicht klischeelastig,
sondern mit viel Empathie für seinen Helden und angenehmer Unverkrampftheit.
Nun liegt der Roman zum Film vor, praktisch eine Nacherzählung und doch wieder
nicht, denn Buch und Film wirken auch unabhängig voneinander. Als ideal erweist
sich die Kulisse der Handlung, ein Rudercamp, in welchem sich Tobi mit seiner
und der Mädchenmannschaft auf den bevorstehenden Ruderwettkampf vorbereitet.
Alle scheint wie immer zu sein, die Jungs sind gut drauf und in freudiger
Erwartung des Wettkampfs. Achim, Tobis bester Freund, verliebt sich jedoch in
Sandra. Die heile Welt einer jahrelangen Jungenfreundschaft beginnt erste Risse
zu bekommen. Tobi ist eifersüchtig. Doch auf wen? Auf Achim oder Sandra? Er
weiß es nicht und kann seine ambivalenten Gefühle nicht einordnen. Als dann
statt der sehnten Mädchenmannschaft das schwule Berliner Ruderteam "Die
Queerschläger" anreist, gerät Tobis emotionale Welt aus den Fugen. Er
möchte Anke nicht verletzen, die ihm ihre Liebe gesteht, doch er fühlt sich
auf seltsame Weise von den jungen Männern des Berliner Ruderteams, vor allem
von Leo, angezogen.
Die Charakterisierung der Figuren, vor allem die des Protagonisten Tobi (im Film
gespielt von Robert Stadlober) und die Einblicke in dessen zerrissene Innenwelt,
lassen glaubhaft die Konflikte nachfühlen, die der junge Held durchleben muss,
um den scheinbar einfachen Satz "Ich in schwul." sagen zu können.
Doch zuvor unternimmt er den Versuch, Achim seine Liebe zu gestehen. Ein
einfacher Kuss, flüchtig auf dessen Wange gehaucht, bringt diesen jedoch aus
der Fassung und lässt die bislang unsichtbaren Risse in ihrer Freundschaft jäh
auseinander bersten. Tobi ist entsetzt ob der unerwarteten Reaktion seines
Freundes.
Leo hat von Ferne alles beobachtet und versucht Tobi zu trösten. Unerwartet
brechen all die unterdrückten Gefühle aus ihm heraus, das Verlangen, einen
Mann schön zu finden, ihn zu berühren und von ihm berührt zu werden, sich ihm
ganz hinzugeben. Diese neue Erfahrung bringt Struktur in Tobis chaotische
Gefühlswelt. Zaghaft vorerst, doch immer deutlicher ordnen sich in ihm die lang
gehegten Ahnungen zur Gewissheit.
Ein Buch zum Film birgt immer die Gefahr in
sich, die Filmhandlung einfach nur nachzuerzählen.
Tim Moeck versteht es jedoch auf eindringliche Weise, mittels einer klaren
Sprache und Vermeiden von allzu detailversessenem Erzählen, das Kino im Kopf
anzuregen. Somit hat jeder Leser die Chance, seine eigene Version des
"Sommersturms" zu erleben. Torsten Seewitz, 11.09.2004