Patrick Redmond
"Das Wunschspiel"
Aus dem Englischen von Birgit Moosmüller
C. Bertelsmann  München 2000
415 S., 19,90 Euro

Zugegeben, Romane, in denen ein Internat, möglichst in alten, geheimnisumwitterten Gemäuern, den literarischen Schauplatz bildet, sind nicht allzu selten. Erinnert sei hier nur an Donna Tarts "Geheime Geschichte" oder an Elizabeth Georges "Auf Ehre und Gewissen"; doch schrieb der englische Schriftsteller Patrick Redmond mit seinem Debüt "Das Wunschspiel" nicht eine bloße Fortsetzung dieser Romane, sondern bemühte sich um eine neue Qualität.
Redmond setzt auf die psychologische Analyse von Abhängigkeitsprozessen unter Bedingungen der Isolation einer in sich geschlossenen sozialen Gruppe. Nicht nur beiläufig überführen seine Schilderungen des Alltags in einem englischen Eliteinternat das britische Bildungssystem seiner Inhumanität. Die gedankliche Gleichschaltung mittels Repression und die Unterdrückung jeglicher Individualität lassen nur die Stärksten diesen Psychoterror überstehen. Aber wie überleben die Schwachen, die Sensiblen? Sie verbünden sich mit den Stärkeren, richten Mauern um sich, die sie vor weiteren Verletzungen schützen.
Jonathan Palmer wollte nie auf dieses Internat, seine Familie hat es so bestimmt. Nur unter großen Mühen kann er sich mit dem Alltag im Internat abfinden. Er muß durchhalten, das war er seinen Eltern schuldig. Anders Richard Rokeby. Er hat bewußt die Position des Außenseiters gewählt. Schülern und Lehrern begegnet er überlegen mit ausgesprochener Kälte und Gleichgültigkeit. Viele der Schüler hatten den Wunsch, ihn zum Freund zu haben, doch einzig Jonathan schaffte es, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Was anfänglich wie ein normale Freundschaft begann, steigert sich im Verlauf des Romans zu einem teuflischen Pakt.
Redmond gelingt es, die Mechanismen von Abhängigkeitsbeziehungen, von Macht und Ohnmacht unter Ausnahmebedingungen detailliert und kenntnisreich abzubilden. Der Leser wird von Seite zu Seite tiefer in den Abgrund des diabolischen Spiels gerissen.
Anfänglich begriff Jonathan die Stärke und Nähe seines neuen Freundes als Privileg, welches ihn vor den Angriffen seiner Feinde schützte. Doch zunehmend gerät er in den Bann Richards, der ihn in seine tragische Lebensgeschichte einweiht. Ein altes Brettspiel, Ouija, welches sie auf dem Dachboden von Richards Verwandten finden und zu früheren Zeiten bei Séancen verwandt wurde, um Kontakt zu Verstorbenen herzustellen und Feinde zu verwünschen, dient beiden fortan als Medium, um ihre Peiniger zu bestrafen.
Gerade diese übersinnliche Dimension verschafft dem Roman ein ungeheures Spannungsmoment. Zuerst will Jonathan die teuflische Wirkung dieses Spiels nicht wahrhaben, doch als sein schlimmster Peiniger James Wheatley schlafwandelnd vor ein Auto läuft, nachdem er sich sehnsüchtig dessen Tod beim Ouija-Spiel gewünscht hatte, begann ihn die Angst einzuholen. Wheatley bleibt nicht das einzige Opfer, aus dem Spiel wurde bitterer Ernst. Jonathan hatte in seiner kompromißlosen Abhängigkeit von Richard die Kontrolle über sich und sein Handeln verloren. Der Versuch, sich Richards Einfluß zu entziehen, bleibt erfolglos. Im Gegenteil, Jonathan wendet den ganzen Haß, den Richard in sich verspürt, gegen sich.
Leider etwas zu theatralisch läßt Patrick Redmond seinen spannenden Roman um Macht und Abhängigkeit, Freundschaft und Eifersucht, in einem teuflisch-mystischen Finale enden. © Torsten Seewitz, 31.07.00

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