Hans-Ulrich Treichel
"Der irdische Amor"
Suhrkamp Verlag Frankfurt 2002
256 S., 19,90 Euro

Wer weiß, vielleicht wäre aus Albert ein bedeutender Kunstwissenschaftler geworden, wäre seine These über Caravaggios Gemälde Amore vincitore wirklich neu gewesen. Doch statt Anerkennung erntete er von Seiten seines Professors nur Hohn und ein wenig Mitleid, zusammen mit dem Rat, sich ein anderes Thema für seine Abschlussarbeit zu suchen.  Irgendwie lief alles schief in seinem Leben. Erst der missglückte Studienaufenthalt in Rom, dann die fehlende Anerkennung für seine Mühen im Studien und, was weitaus schlimmer wog, keine Erfolge in der Liebe.
Doch Amor muss Mitleid mit Albert gehabt haben, denn eines Tages verliebt er sich in die wunderschöne Kellnerin Elena. Anfänglich noch zögernd und seiner Gefühle unsicher, suchte Albert jeden Tag das Lokal auf, in dem Elena arbeitete. Nach Wochen des Zögerns und Wartens brachte er dann endlich den Mut auf, sie anzusprechen und zu einem Spaziergang einzuladen, der letztendlich sehr ernüchternd auf einer Parkbank endete. Amors Pfeile müssen jedoch auch Elena getroffen haben, denn ob ihrer anfänglichen Distanziertheit und Kühle gegenüber Albert, war sie späteren Treffen nicht abgeneigt.
Eines Tages, Albert und Elena waren bereits einige Wochen zusammen, offenbarte sie ihm, dass sie wieder zurück in ihre italienische Heimat wolle, um sich als Kosmetikerin selbständig zu machen. Für Albert war dies kein Problem, konnte er doch auch in der schönen Landschaft Sardiniens Forschungen über Caravaggios Kunstwerke betreiben. 
In Elenas Heimatort angekommen, erwartete Albert alles andere als das erträumte Ideal Italiens. Weder wohnte Elena in einer großen Villa, noch entsprach der Ort Carbonia seinen Vorstellungen von italienischer Lebensart.
Elena besaß nur eine kleine Zweiraumwohnung, von der sie das Wohnzimmer tagsüber als Kosmetikstudio nutzte. Während sie ihre Kundinnen bediente durfte Albert das Schlafzimmer nicht verlassen. Zwei Tage hielt er dieses Eingeschlossensein aus, bis ihn die Unruhe in den kleinen Ort trieb, wo er stundenlang umherspazierte. Woche über Woche ging so dahin, und mit jedem Tag. der verging, schwand seine Liebe zu Elena ein wenig mehr.
Hans-Ulrich Treichel erzählt in seinem aktuellen Roman auf gewohnt unterhaltsame Weise von den Irrungen und Wirrungen, die die Liebe so mit sich bringt. War in seinem letzten Roman "Tristanakkord" die Welt der Musik Gegenstand seiner teils ironischen Betrachtungen, so wirft er in "Der irdische Amor" nahezu beiläufig einen Blick auf die Welt der Kunst und ihre Hohepriester in den deutschen Universitäten. 
Unbestritten zählt Treichel zur ersten Riege der deutschen Autoren, die es gekonnt verstehen, Geschichten zu erzählen ohne dabei zu langweilen oder unnötig mit hyperintellektuellem Geschwafel zu langweilen. ©Torsten Seewitz, 20.08.2002

Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Der Verlorene" 1998
"Tristanakkord" 2000

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