Christopher Coake
„Bis an das Ende der Nacht“
Goldmann Verlag
München 2006
316 S., 14,95 €
 

Die meisten Leute lesen lieber Romane als Kurzgeschichten. Ich eigentlich auch. Doch die Geschichten von Christopher Coake sind durch keinen mir bekannten Roman aus den letzten Jahren zu übertreffen. Von der ersten Zeile an hat mich die Sprache mitgerissen, die leichtfüßig und zugleich dicht daher kommt. Mit lyrischer Eleganz nimmt der Autor den Leser wie einen vertrauten Freund an die Hand und zieht ihn unvermittelt hinein in eine atemberaubende Erlebnis- und Gefühlswelt:
- ein junger Mann plagt sich jahrelang mit Schuldgefühlen, weil er seinen geliebten Hund während
eines übermütigen Spiels nicht davor bewahrt hat, von einem Felsen abzustürzen und zu verenden;
- ein krebskranker Mann bereitet seine selbst bestimmte „Erlösung“ vor, bei der ihm seine Frau helfen soll;
- ein von der Bergsteigerei Besessener riskiert ohne Rücksicht auf Frau und Sohn immer wieder sein Leben,
- der Freund eines plötzlich verunglückten Elternpaares erfährt, dass er testamentarisch zum Schutz und Sorgebefohlenen für den dreijährigen Sohn bestellt worden ist; usw.
Nach den ersten drei Geschichten, die ich völlig gebannt hinter einander weg las, wurde es mir zu viel mit der Verarbeitung all des nachvollziehbaren Unglücks: Unfälle, Suizid, Mord und Schuld. Ein auswegloser Schicksalsschlag nach dem anderen. Ich legte das Buch zur Seite.  Doch die Romane, die ich im Anschluss an Coake las, befriedigten mich qualitativ so wenig, dass ich mich nach und nach den weiteren Erzählungen über Verlust und Verzweiflung stellte. Manche Geschichten habe ich inzwischen sogar zweimal gelesen.
Der Autor hat sich während des unaufhaltsamen Sterbens seiner krebskranken Frau jahrelang mit der Thematik „Tod“ auseinander gesetzt und wollte seiner Trauer schreibend Ausdruck verleihen. Bis es ihm schließlich gelang, seine eigenen Erlebnisse und Gefühle ohne Selbstmitleid und Sentimentalität in fiktionale Handlungsabläufe umzuformen, die den Leser zutiefst berühren, durchlief er einen langen Lernprozess. Er studierte Literatur und „Kreatives Schreiben“ an der Ohio State University und fand dort Unterstützung bei zahlreichen Freunden und Lehrern wie Nick Hornby. Der Erzählband ist sein Erstlingswerk und wurde unter dem amerikanischen Originaltitel: „We´re in Trouble“ als Überraschungserfolg gefeiert. Erika Pillardy, 17. März 2007  

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