Dieser
Sommer des Jahres 1978 wird als einer der heißesten des
Jahrhunderts in die Geschichte eingehen. Die Hitze war
schier unerträglich, drang in die kleinsten Ritzen und
ließ alles Leben tagsüber ersterben.
Zwar empfanden die Kinder eines kleinen italienischen
Dorfes die Sonnenglut genauso unerträglich, doch
hinderte sie sie nicht daran ihre Umgebung mit ihren
Fahrrädern zu erkunden. Ziel war an diesem Tag ein
Hügel, in der Nähe des Dorfes. Der neunjährige
Michele und seine Freunde wetteiferten, wer als erster
den den Gipfel des Hügels mit seinem Fahrrad erklommen
hat. Sie mussten am Hof des alten Melichetti vorbei, von
dem man sich erzählte, er hätte seinen Dackel den
Schweinen zum Fraß vorgeworfen.
Michele
musste wie so oft seine kleine Schwester mitnehmen, die
ihn natürlich daran hinderte, dieses Wettrennen zu
gewinnen. So erreichten sie als letzte die Hügelkuppe,
noch hinter der dicken Barbara - eine Schmach, die
Michele somit hinnehmen musste.
Hinter dem höchsten Punkt des Hügels verbarg sich eine
weitere Anhöhe, auf welcher sich ein altes, verfallenes
Bauernhaus befand. Die anderen Jungen beschlossen, dass
Michele dieses Haus betreten und durchqueren musste.
Ohne zu widersprechen, doch mit einem unguten Gefühl in
der Magengegend, nahm er die Strafe an und hangelte sich
durch ein altes Fenster in die Ruine. Drinnen sah es
schlimmer aus, als er es sich vorgestellt hatte, doch
gelang es ihm auf abenteuerliche Weise bis in den
kleinen Hof vorzudringen. Am Rand es Hofes lag eine
große Platte aus Wellblech, unter welcher ein
erbärmlicher Gestank hervortrat. Michele hob die Platte
vorsichtig an und entdeckte eine Grube, in dessen Tiefe
etwas schimmerte, was aussah, wie das Bein eines
Menschen. Als er seinen Kopf weiter vorbeugte, entdeckte
er den zusammengekrümmten Körper eines kleinen Jungen,
der wie tot auf dem Boden lag. Ein kleines Steinchen,
welches Michele hinunterwarf, traf den leblosen Körper,
doch gab dieser keinen Ton von sich. Schnell bedeckte er
die Grube wieder, denn die anderen Kinder riefen bereits
nach ihm.
Schockiert von dem soeben Entdeckten, ließ sich Michele
jedoch gegenüber den anderen nichts anmerken. Ihn
beschäftigte nur eine Frage: Wer ist dieser Junge? Von
nun an besaß er ein Geheimnis, welches er niemanden
anvertrauen würde.
Dass dieser Tag sein Leben verändern würde, ahnte er
in diesem Moment noch nicht ...
"Die Herren des Hügels" ist nach "Fort
von hier" der zweite Roman des Italieners Niccolò
Ammanitis (Jg. 1966) und steht seit über einem Jahr auf
den italienischen Bestsellerlisten und wurde bereits 160
000 mal verkauft. Gern möchte man diesen
ungewöhnlichen Erfolg nach der Lektüre des Romans
bestätigen, denn selten hat es ein Autor verstanden, so
in die Gefühlswelt eines Kindes einzutauchen und
konsequent sowie glaubhaft aus dessen Perspektive
zu erzählen. All die Ängste und Phantasien, die
Beobachtungen der zumeist unverständlichen Welt
der Erwachsenen und die Ebene der Freundschaft unter
Gleichaltrigen vereint Ammaniti in seinem Roman auf
gekonnte Weise. Themen, die dieses Buch auch für
Jugendliche interessant erscheinen lassen, zumal
Ammaniti in einer klaren unprätentiösen Sprache
schreibt, die dennoch die Magie der italienischen
Landschaft spüren lässt.
"Die Herren des Hügels" ist neben dem genauen
Psychogramm eines neunjährigen Jungen auch ein sehr gut
geschriebener Krimi, dessen Spannung bis zur letzten
Seite aufrecht erhalten bleibt. ©Torsten Seewitz,
10.03.2003 |