Was
mag die niederländische Konzertpianistin und
praktizierende Psychotherapeutin Anna Enquist wohl dazu
veranlasst haben, über zehn Jahre lang alle bereits
bekannten Daten, Fakten und Veröffentlichungen über
James Cook, den legendären Entdeckungsreisenden,
zusammenzutragen und daraus schließlich einen Roman zu
machen? War es die Faszination von seiner
Forschungsbesessenheit, die 1779 mit seiner rätselhaften
Ermordung auf Hawaii endete? War es die
Ausnahme-Karriere eines Mannes, der es vom Bauernsohn
bis zum Admiral der englischen Flotte und damit in die
gesellschaftliche Elite des Landes geschafft hat? Oder
war es vielleicht ihr Wissen darum, dass hinter großen
Männern zumeist eine starke Frau steht, über die man
in den
Geschichtsbüchern kaum etwas erfährt?
Cooks Frau Elizabeth ist die Protagonistin des Romans.
Die Autorin entfaltet entlang der bekannten, äußerst
informativen und spannenden Fakten über James Cook das
fiktionale Lebensgefühl und Rollenverständnis einer
Frau, die vor über 200 Jahren gelebt und ihren Mann um
sechsundfünfzig Jahre überlebt hat. Dichtung und
Wahrheit eng verwoben – gewöhnungsbedürftig und doch
faszinierend. Ja, so könnte es gewesen sein: Elizabeth
unterstützt ihren Mann bei der Veröffentlichung seiner
Entdeckungs- und Forschungsberichte und hofft vergeblich
darauf, dass er - wie versprochen – endlich in seinen
verdienten Ruhestand tritt, um bei ihr und den Kindern
zu bleiben. Gleichzeitig
fürchtet sie die damit verbundenen Einschränkungen
ihrer Selbständigkeit. Denn trotz seiner jahrelangen
Abwesenheiten (in denen sie allein ihre sechs Kinder zur
Welt bringen, erziehen und schließlich beerdigen muss)
bleibt er auch an Land der Kapitän bzw. „Herr des
Hauses“. Für ihn steht es außer Frage, dass alle
Jungen ihr Leben in den Dienst der gefährlichen,
lebensbedrohlichen Seefahrt stellen müssen, unabhängig
von ihren Neigungen und Begabungen. Nach dem Tod ihrer
einzigen, dreijährigen Tochter zerbricht Elizabeth fast
an ihrer Enttäuschung darüber, kein zweites Mädchen,
sondern wieder nur einen Sohn geboren zu haben. Die einfühlsame
Schilderung ihrer Verzweiflung und Lebensmüdigkeit, die
sie erst nach Jahren überwindet, gehört für mich zu
den stärksten Passagen des Romans. Die Autorin musste
selbst mit dem Unfalltod ihrer Tochter fertig werden.
Erika
Pillardy, 25. Februar 2007
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