Alessandro
Baricco ist mittlerweile ein Garant für eine Art von
Literatur, die ihren eigenen Gesetzen folgt. Mit wenigen
Sätzen vermag er es, von den großen Dingen des Lebens,
Liebe und Tod, so gefühlvoll zu erzählen, dass einem
als Leser, sofern man sich auf die Geschichte
einzulassen vermag, eine Woge des Mitgefühls für seine
Protagonisten das Gemüt durchzieht. Am
eindrucksvollsten belegen diese Kunstfertigkeit wohl
seine Erzählungen "Seide" und "Novecento".
Interessant ist hierbei, dass Baricco es gekonnt
versteht die drohenden Klippen von Kitsch und Pathos zu
umschiffen. Nun liegt beim Carl Hanser Verlag seine
neues Buch "Ohne Blut" vor, und wieder
erzählt er mit wenigen Worten eine Geschichte von Liebe
und Tod, von Schuld und Sühne.
Manuel
Roca lebt zurückgezogen mit seinen beiden Kindern auf
dem Land. Doch etwas beunruhigt ihn, lässt ihn mit
Vorahnungen Sicherheitsvorkehrungen treffen, als er von
Ferne eines Tages ein sich näherndes Auto bemerkt.
Die vier Männer, die in der Nähe seines Hauses halten
sind bewaffnet und fordern ihn lautstark auf sein Haus
zu verlassen.
Zuvor hatte Roca seine Tochter Nina versteckt und seinem
Sohn gesagt, das Haus durch den Hintereingang zu
verlassen, um zu fliehen.
Es dauert nicht lange, bis die ersten Schüsse fallen.
Die Männer dringen in das Haus ein, verletzen Roca
schwer und töten dessen Sohn, der versucht hatte, einen
der Eindringlinge mit dem Gewehr zu erschießen. Als der
jüngste der Täter das Haus nach weiteren Familienmitgliedern durchsuchte, entdeckte er das
Versteck Ninas. Doch wider Erwarten verrät er sie
nicht.
Jahrzehnte später treffen Nina und dieser junge Mann
aufeinander und aus dieser ungewöhnlichen Konstellation
entwickelt Barricco den zweiten Teil seiner Geschichte.
Er läßt den Leser teilhaben am ungewöhnlichen
Lebenslauf Ninas und versucht zu erklären, weshalb
Manuel Roca auf so brutale Weise ermordet wurde. Denn
Roca hat zu Zeiten des Krieges als Arzt in einem
Krankenhaus schwere Schuld auf sich geladen.
Es sei an dieser Stelle nicht zu viel erzählt, doch nur
so viel, dass Alessandro Baricco seine kleine Geschichte
mit einem unerwarteten, zwar nicht spektakulären,
Höhepunkt enden läßt.
Wer die Bücher Bariccos schon immer mochte, wird auch
an diesem Gefallen finden. Jedoch sei als Einstieg in
die sprachmagische Welt des Autors noch immer sein
Erstling "Seide" empfohlen. ©Torsten Seewitz,
07.11.2003 |