Luca
Salieri ist tot. Angespült am linken Arnoufer unterhalb
des Ponte Santa Trinita. Sein Verschwinden wurde zwei
Tage zuvor von Anna Morante gemeldet.
Spektakulär und doch rational in der Sprache beginnt
Philippe Besson seinen Roman „Eine italienische Liebe“.
So werden zumeist Kriminalromane mit einem darauf
folgenden Kapitel, in welchem der ermittelnde Kommissar
vorgestellt wird, eröffnet. Nicht so in der
vorliegenden Geschichte. Vordergründig könnte man sie
als Krimi lesen, doch würde man damit den Intentionen
des Autors nicht gerecht werden.
Gleich im ersten Kapitel kommt Luca zu Wort. Er lässt
ihn aus der Hülle des Menschen heraustreten und sich
als Toten betrachten. Eine interessante Perspektive, die
an Reiz gewinnt, je weiter man Lucas Weg, vom Entdecken
des Leichnams durch die Carabinieri bis hin zur
Beisetzung, folgt. Gebrochen werden die Reflektionen
Lucas durch die Stimmen seiner
Freundin Anna und seines Geliebten Leo. In dieser
heimlichen Liebe liegt auch die Dramatik des Erzählten,
denn Anna und Leo wissen anfangs nichts voneinander.
Aus jeweils individueller Sicht schildern sie ihre
Beziehung zu Luca, wobei es vor allem Anna ist, die
schrittweise zur Erkenntnis gelangt, dass ihr Geliebter
ein Doppelleben geführt hat.
Leo wiederum, der Polizei bestens bekannt als Stricher
im Bahnhofsmilieu, kommt die Rolle des
Haupttatverdächtigen zu. Er war der letzte, mit dem
Luca Salieri vor seinem Tod Kontakt hatte. Ob sich
dieser Verdacht der Carabinieri als richtig erweist,
lässt Besson natürlich bis zum Ende seines Romans im
Unklaren.
Doch bezieht das Buch seine Spannung nicht unbedingt aus
dem kriminalistischen Aspekt der Handlung. Vielmehr
weckt der Autor die Lust zu erfahren, wie die einzelnen
Protagonisten mit Lucas Geheimnis und dessen Entdeckung
umgehen.
Kunstvoll kreist der Roman vor allem um die Frage, was
wir von uns nahestehenden Personen wirklich wissen. Kann
überhaupt jemand von sich behaupten, einen Menschen
allumfassend zu kennen, auch wenn es der ist, den wir
innig lieben?
Der besondere Reiz beim Lesen besteht vor allem darin,
dass Besson von diesem großen Thema überaus
einfallsreich und in einer klaren, wohltuend
schnörkellosen Sprache erzählt. Ein Buch, welches
neugierig macht, die verborgenen Seiten des Lebens zu
entdecken! Torsten Seewitz, 02.11.04 |