Dieser
Urlaub im Süden Frankreichs sollte für die Familie
Callner zu einer Zeit der Ruhe und Entspannung werden,
bevor der hektische Alltag wieder seinen Tribut
forderte. Viktor Callner war kurz zuvor zum
Feuilletonchef seiner Zeitung berufen worden. Niemand
aus der Familie wusste von dieser Beförderung; erst im
Flugzeug erfuhr seine Frau Helen davon. Stolz darauf,
diese Neuigkeit so lange geheim gehalten zu haben,
freute sich Callner um so mehr auf die gemeinsame Zeit
mit Frau und Kindern in einem entlegenen Ferienhaus im Périgord.
Doch so recht wollte sich bei keinem ein Glücksgefühl
einstellen. Es hatte den Anschein, als beschlich alle
Mitglieder der Familie eine gewisse Ahnung dessen, was
sie erwarten würde.
Nach seinem mit dem Bachmann-Preis ausgezeichneten Roman
„Kometen“ und dem von der Kritik beachteten „Die
Nacht der Könige“ liegt nun mit „Meeres Stille“
Steffen Beuses neuestes Buch vor.
Gleich zu Beginn seines neuen Romans läßt der Autor
den Leser diese Vorahnung mit den Protagonisten teilen,
denn neben der Geschichte der Callners kommt eine
weitere Stimme in
einer Art Tagebuch zu Wort. Anfänglich wirken diese
Passagen, im Buch kursiv gedruckt, wie eine separate
Geschichte, die von traumatischen Kindheitserinnerungen
eines jungen Mannes erzählt, begonnen von den
Erinnerungen an den tragischen Unfalltod der Mutter bis
hin zum hingebungsvollen Klavierspiel zu Gefallen des
Vaters, der auf den Tod seiner Frau mit schweren
Depressionen reagierte.
Stefan Beuse gelingt das Kunststück, beide Erzählebenen
allmählich auf einander zuzuführen, so dass eine
Geschichte die andere durchdringt und beide letztendlich
zusammenfinden.
Beuse erzählt seinen Roman vollkommen unaufgeregt. Er
nimmt sich Zeit für seine Figuren und deren
Gedankenwelt, vor allem für die der Kinder Frances und
David, die als einzig nicht Eingeweihte versuchen, die
verborgene Geschichte ihrer Eltern in Erfahrung zu
bringen.
Nicht zuletzt wird deren Neugier durch das Auftauchen
eines jungen Mannes beflügelt, der sich der Familie als
hilfsbereiter Nachbar vorstellte.
Es ist faszinierend zu verfolgen, mit welchem
dramaturgischem Feingespür Stefan Beuse seine
Protagonisten durch die Handlung und zu einem
unausweichlichen Finale führt. Der Autor spielt souverän
mit den Elementen des Psychokrimis und inszeniert seine
Handlung spannungsreich und nahezu filmgerecht.
Dennoch kann „Meeres Stille“ auch als psychologische
Studie einer Familie gelesen werden, deren Geschichte
zwanzig Jahre zuvor eine verhängnisvolle Wendung nahm.
Stefan Beuse hat mit seinem Roman bewiesen, dass es um
spannender anspruchsvoller Unterhaltung wegen, nicht
zwingend unzähliger Toter und eines ermittelnden
Kommissars bedarf.
Insofern gehört „Meeres Stille“, auch auf Grund
seiner Originalität unbedingt in die Reihe der
beachtenswerten Neuerscheinungen des diesjährigen Bücherherbstes!
©Torsten Seewitz, 01.12.2003
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