Lange
Zeit war der aus Frankreich stammende Autor Emmanuel
Bove (1898-1945) vergessen, bevor ihn die literarische
Welt seines Heimatlandes wiederentdeckte. Erst 1981
wurde er dann in Deutschland durch die hervorragende
Übersetzung seines Romans "Meine Freunde"
durch Peter Handke bekannt. Dem Manholt Verlag und dem
Deutschen Taschenbuchverlag ist es aufgrund ihrer
jahrelangen Bemühungen um den Autor zu verdanken, dass
seine Hauptwerke nahezu vollständig in deutscher
Übersetzung vorliegen und somit einem breiten Publikum
zugänglich sind.
Sein
1932 im Original erschienener Roman "Ein
Junggeselle", in dem er den Leser Einblick in das
Leben eines alternden neurotischen Mannes nehmen lässt,
verkörpert sehr eindrucksvoll das Lebensbild es
Schriftstellers Bove. Gefangen in den eigenen Gefühlen,
unfähig ihnen Raum zu geben, begleitet er seinen
einsamen Protagonisten Albert Guittard durch die
Unwägbarkeiten des Alltags der 1920er Jahre.
Wie sollte es anders sein, besteht die Hauptprofession
eines Junggesellen in der Betörung des weiblichen
Geschlechts. Guittard hat für sich die, aus seiner
Sicht unglücklich verheiratete Clotilde auserkoren, um
ihr seine Liebe zu zeigen. Vor Hingerissenheit blind,
merkt er gar nicht, wie er sich ihr ganz und gar
ausliefert. Unfähig, ein einigermaßen realistisches
Bild seiner Selbst zu erlangen, überhört er ihren
latenten Spott und bemerkt nicht, wie er von ihr und
ihrem Gatten vorgeführt wird.
Guittard lebt in seiner eigenen selbstverliebten Welt,
sich einbildend, Mittelpunkt der ihn umgebenden
Gesellschaft zu sein. Doch diese misst seinem
Zugegensein und seinen Äußerungen keineswegs die
Bedeutung bei, die Guittard meint zu haben.
Sehr beeindruckend versteht es Bove seinen Protagonisten
als vermeintliches Zentrum einer Gruppe von Menschen
darzustellen, die seinen Gefühlen nicht die, aus seiner
Sicht, notwendige Aufmerksamkeit beimisst. Guittard hält
sich für etwas Besonderes, als über den Dingen
stehend, manchmal den Wahn anheimfallend, das Leben
anderer Menschen dirigieren zu können. Doch die
entscheidende Erkenntnis, dass sich seine Ansichten vom
Leben und der Liebe nur marginal von den seiner
Mitmenschen unterscheiden, fehlt Guittard.
Erst gegen Ende des Romans scheint er Ruhe in der
Beziehung zu seiner alten Freundin Winnie zu finden, die
er zuvor als eine Art Schutz vor der undankbaren
Damenwelt aus Paris in seinen Wohnort holte.
Bove versteht es beeindruckend, die innere Zerrissenheit
seines Protagonisten in Worte zu kleiden und seine
Entwicklung vom Herzensbrecher zu einem wahrhaft
Liebenden darzustellen. Guittard muss erkennen, das in
der wahren Liebe zweier Menschen Äußerlichkeiten wenig
zählen, sondern allein die inneren Werte.
Auf den heutigen Leser mögen viele Passagen dieses
Romans antiquiert wirken, doch beeindruckt Bove mit der
gekonnten literarischen Bearbeitung seines Themas, den
Menschen hinter der Maske zu zeigen. © Torsten Seewitz,
16.01.2003 |