Mit der
Veröffentlichung des Romans "Schande"
gelang es dem S. Fischer Verlag im vergangenen Jahr einen
der renommiertesten Autoren Südafrikas einer großen
Leserschaft zugänglich zu machen. Dies mag verwundern, wurden
doch bereits mehrere Bücher J. M. Coetzees in deutscher
Sprache publiziert, von denen "Leben und Zeit des
Michael K.", wie auch der Roman "Schande",
mit dem "Booker-Prize" ausgezeichnet wurde.
Mit "Warten auf die Barbaren" (1980) wird dem
deutschsprachigen Lesepublikum nunmehr ein Frühwerk Coetzees
in einer neuen Übersetzung wieder zugänglich gemacht. Der
Autor führt den
Leser in eine scheinbar ferne Wirklichkeit
von kafkaesker Gestalt. Festungsähnliche Städte dienen dem
großen Reich in den Grenzdistrikten als Abwehr gegen die
vermeintliche Bedrohung durch die Barbaren, friedliche
Nomadenstämme, die in unmittelbarer Nähe zu den Städten
leben.
Der
Protagonist des Romans, Magistrat einer solchen Grenzstadt,
hat über viele Jahre hinweg in den Nomaden keine ernsthafte
Bedrohung für das Reich gesehen. Entgegen den Bestrebungen
der Regierung des großen Reiches, die vermeintlichen Feinde
abzuwehren, versuchte er mit ihnen friedlich zusammenzuleben.
So war es nur eine Frage der Zeit, bis eine Spezialeinheit der
Sicherheitspolizei in der Stadt eintrifft, um den Beweis
für die feindliche Gesinnung der "Barbaren" zu
erbringen. Der Magistrat wird wehrlos Zeuge, wie die
unschuldigen Nomaden gefangengenommen und unter Folter
gezwungen werden, sich als Feinde des Reiches zu erklären.
Von Abscheu gegen dieses Vorgehen getragen, unternimmt er
letztendlich den hilflosen Versuch, eine der Gefangenen zu
ihrem Volk zurückzubringen.
Wieder zurückgekehrt, wird sein Märtyrertum von der
Staatspolizei mit Inhaftierung, öffentlicher Demütigung und
erbarmungsloser Folter bestraft.
Coetzee führt den Leser in eine abgestumpfte, graue Welt, in
welcher der Einzelne im Diffusen der Masse untergeht.
Erbarmungslos und roh gehen die selbsternannten Richter des
Staates gegen Andersdenkende vor, erpressen mit Folter
wertlose Geständnisse, um der eigenen Bestätigung Willen.
Unweigerlich tauchen beim Lesen die Bilder des
südafrikanischen Apartheidsystems auf, dessen brutale
Trennung von Menschen allein wegen ihrer Hautfarbe und
andersartigen Kultur als Folie für die Romanhandlung dienen
könnte.
Nahezu erschreckend emotionslos beschreibt Coetzee ein
unmenschliches System, dessen paranoide Allmachtphantasien
Unglück und Verderben über die Menschheit bringen. Es
obliegt allein den Machtinhabern zu entscheiden, wer zum
Unmenschen degradiert wird. Und gerade dieses Ausgeliefertsein
gegenüber den Mächtigen wird durch den nahezu
protokollarisch distanzierten Erzählstil für den Leser
nachvollziehbar. Trotz aller spürbaren Ohnmacht siegt dennoch
die Erkenntnis, dass es allein die Vollstrecker des Reiches
sind, die durch ihr inhumanes Verhalten zu Unmenschen werden.
So betrachtet ist "Warten auf die Barbaren" eine
beeindruckend erzählte Parabel über Macht und Ohnmacht des Einzelnen
unter den Bedingungen der Diktatur. © Torsten Seewitz, 16.07.2001
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