Ist
es ein Brief von Gott, den Joop Koopman unvermittelt
nach dem tragischen Tod seiner Tochter Mirjam in den Händen
hält? Wohl kaum, doch versucht der Absender akribisch,
die Ursachen für den verhängnisvollen Verkehrsunfall
am 22. Dezember 2000 zu ermitteln. Angefangen von den
Kontinentalverschiebungen, über den großen
Grabenbruch, die sogenannte San-Andreas-Verwerfung und
das daraus resultierende
Northrigde-Erdbeben von 1994 bis hin zu einem
Lastkraftwagen der Umzugsfirma U-Haul Co. und dessen
durch das Erdbeben leckgeschlagenen Ölwanne versucht
„Gott“ den kosmologischen Verschwörungen auf den
Grund zu gehen.
Ein grandioser Einstieg in einen Roman, der im folgenden
so manche Überraschung parat hält. Soll man es anders
als Zufall nennen, das Koopman just am Tage des Unfalls
seiner Tochter einen Bekannten aus Jugendtagen, Philip
van Gelder, wiedertrifft, der zur Mitarbeit im
israelischen Geheimdienst bewegen will. Das Angebot
klingt verlockend und die Aufgabe nicht schwer, doch
Koopman lehnt erst einmal ab, zu groß sind seine
Bedenken und Skrupel für den Mossad zu arbeiten.
War er bereits vor dem Tod seiner Tochter als
Drehbuchschreiber nur mäßig erfolgreich, will ihm die
Arbeit nun gar nicht mehr gelingen. Doch ist Koopman
bewußt, wenn er keine Aufträge mehr bekommt, ist das
ersparte Geld bald aufgebraucht. Zu allem Überfluß drängt
sich noch Errol Washington in sein Leben, der Mann, der
seine Tochter an jenem Dezembertag mit dem Motorrad
mitnahm und wegen einer Ölspur auf der Straße mit dem
Zweirad verunglückte. Er wolle die Schuld am Tod seiner
Tochter abtragen, indem er sich Koopman nahezu sklavisch
unterwirft.
Zuviel für Joop, der erst vor wenigen Tagen das Liebste
verloren hat, was er je besaß. Er wollte trauern, sich
von der Welt zurückziehen, allein sein, doch niemand
wollte ihm dieses Recht zugestehen, weder seine
geschiedene Frau, noch sein Geheimdienstfreund Philip
oder Errol Washington, der Koopman für keine Minute
mehr aus den Augen lies.
Als wäre dies an Personen und Handlung für seinen
Roman noch nicht genug, läßt Leon de Winter eine alte
Freundin Joops, Linda, die Romanbühne betreten, die zu
allem Überfluß mit einem buddhistischen Mönch
anreist, der behauptet, die Reinkarnation von Joops Großvater
zu sein.
An dieser Stelle könnte man meinen, der Autor wäre gänzlich
übergeschnappt und wolle etwas zu viel des Guten. Doch
de Winter behält, oh Wunder, den Überblick! Und mit
ihm natürlich der Leser, denn wer bereit ist, sich auf
diese verworren erscheinende Geschichte einzulassen,
wird sie unweigerlich genießen und deren Auflösung
entgegenfiebern.
Leon de Winter gelingt es vortrefflich, die
verschiedenen Handlungsstränge so zu führen, dass sie
den Gesetzen der Logik gehorchen. Neben dem kriminalistischen Element
durchziehen vor allem philosophische Exkurse zum Thema
„Leben und Tod“ den Roman.
Seinen äußeren Rahmen bekommt der Roman durch die
Suche Koopmans nach dem Empfänger des Herzens seiner
Tochter. Kurz nachdem diese in der Klinik verstarb,
hatte er wie auch immer motiviert, zugestimmt, das ihr
das Herz als Spenderorgan entnommen werden durfte. Doch
der Empfänger lehnt jeden Kontakt mit ihm ab. Wie gut,
dass man einen Freund beim Geheimdienst hat ...
Mit „Malibu“, im Original treffender „God`s Gym“,
ist Leon de Winter das Wagnis eingegangen, so konträre
Themen wie Geheimdienstarbeit und Reinkarnationstheorien
unter dem Dach eines Romans zusammenzuführen. Das
Wagnis hat sich gelohnt, denn dieser Roman, grandios erzählt,
zählt zu den anregendsten und unterhaltsamsten dieser
Saison. © Torsten Seewitz, 27.04.2003 |