Das
für die deutsche Geschichte so bedeutende Jahr 1989
liegt bereits einige Zeit zurück. Lange ist es her,
werden einige sagen; andere wiederum erinnern diese Zeit
des Umbruchs, als wäre sie gestern gewesen. So
verschieden wie die Menschen, die in beiden deutschen
Staaten lebten, so verschieden sind deren Erinnerungen
an das Ende der DDR und die nun vor ihnen liegende
Freiheit, was immer der einzelne darunter verstanden
haben mag.
Unter diesem Gesichtspunkt, den der individuellen
Erinnerungsarbeit, muss auch das vorliegende Buch von
Jana Hensel gelesen werden. Die Generation der
"Zonenkinder", die in beiden deutschen Welten
ihre Kindheit und Jugend erleben durfte (musste), ist mittlerweile in der neuen Zeit angekommen. Es gelingt
Jana Hensel auf sehr unterhaltsame Weise, die Balance
zwischen dem eigenen Erlebten und dem bereits in das
Reich der Geschichtsschreibung eingegangenen
Faktenwissen zu halten, ohne die Zeit der DDR zu
verklären oder aus rein kindlicher Erlebensperspektive
zu beschreiben.
Über viele Details muss man beim Lesen schmunzeln,
schien doch vieles bereits vergessen. Wer erinnert sich
noch an die verschiedenen Aktivitäten als Jung- und
später als Thälmannpionier, die regelmäßig stattfindenden Fahnenappelle auf dem
Schulhof und die wöchentlichen Pioniernachmittage? Wer
sammelt heute noch "Sekundärrohstoffe" oder
Futter für Jolante? Wer weiß noch, was sich hinter dem
Wort "Timurhilfe" versteckt?
Neben dieser wichtigen Erinnerungsarbeit, liefert Jana
Hensel mit ihrem Buch auch eine interessante Studie über
Freizeit- und Markenverhalten in
Ost und West, denn auch "Zonenkinder" haben
zum Beispiel in den
1980er Jahren begeistert "Wetten dass"
gesehen, sofern sie nicht im "Tal der
Ahnungslosen" (dem heutigen Sachsen) wohnten und
weder ARD noch ZDF empfangen konnten.
Ähnlichkeiten mit der "Generation Golf", die
Florian Illies im Jahr 2000 beschrieb, sind nicht zu
leugnen. Jedoch mit dem Unterschied, dass eine Kindheit
in der DDR ideologisch stärker im Sinne einer
Indoktrination beeinflusst war.
Es ist schwierig, im nachhinein darüber richten zu
wollen, ob eine
Kindheit oder Jugend in der DDR unglücklich war. Zu verschieden sind die individuellen Erlebnisse
und Berührungspunkte mit dem sozialistischen Systems
gewesen.
Dennoch ist allen Vertretern der sogenannten "Wendegeneration",
also diejenigen, die zum Zeitpunkt der Wende im
jugendlichen Alter waren, gemein, schnell und ohne große Probleme
in der neuen
Gesellschaftsform angekommen zu sein.
Interessant ist zu erfahren, dass derjenige als Sieger
zählt, der es geschafft hat, im Westen
nicht mehr als Ostdeutscher geoutet zu werden, seine Anpassung
also ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht
hat.
Im Gegensatz zur
Elterngeneration, betrachten sich die Kinder der Wende
nicht als Opfer, sondern als ein Bestandteil der neuen
Gesellschaft, obgleich ein Denken in Ost und West noch
einer Generation mehr bedarf, um endgültig zu
verschwinden.
Jana Hensel
beschreibt dies sehr offen und ehrlich, dennoch sollte "Zonenkinder"
unbedingt als ein ein sehr persönlicher
Rückblick auf eine Kindheit in der DDR gelesen und
nicht verallgemeinert werden. So betrachtet, findet der
interessierte Leser ein sehr
informatives Buch über die Schwierigkeiten, in einem
neuen Gesellschaftssystem anzukommen. Auch wenn Jana
Hensel so manches Klischee bedient, bleibt dennoch die
Erkenntnis für westdeutsche Leser zurück, ein wenig Einblick in das Leben
hinter der Mauer genommen zu haben und für die Leser
im Osten Deutschlands, sich in der einen oder anderen
Episode wiedererkannt zu haben.
Bleibt zu hoffen, dass diese Einblicke in eine
Zeit, die die Geschichtsschreibung bereits zu
verfälschen droht, auch für Folgegenerationen bewahrt
bleiben.
©Torsten Seewitz, 19.11.2002 |