Im
Sommer letzten Jahres begann mit den Hisbollah-Angriffen
auf Israel ein neues Kapitel des Dauerthemas
„Nahost-Konflikt“. Trotz des Beschlusses der
UN-Vollversammlung im November 1947, in dem der Teilung
Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen
Staat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit
zugestimmt wurde, haben sich die Nachbarstaaten bis
heute nicht mit der Existenz Israels abgefunden. Seit
damals beobachtet die NATO mit Sorge die ständig neu
aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen. Zur
Friedenssicherung hat sie dieses Mal internationale
Truppen - unter Beteiligung der Bundeswehr – in
die Krisenregion entsandt. In meinem Bekanntenkreis
wurde wieder und wieder über Recht und Moral der
Israelis und ihrer arabischen Nachbarn diskutiert. Seit
der von Hitler verordneten „Endlösung der
Judenfrage“ und der nachhaltigen Veröffentlichung
deutscher Schuld vermag kaum ein Thema deutsche Gemüter
mehr zu verunsichern. Klare Standpunkte sind selten.
„Man“ möchte weder als Judenfreund, noch als
Antisemit gelten. Als ich vor vielen Jahren das 1958
erschienene historische Epos „Exodus“ von Leon Uris
las, wurde ich zu einer überzeugten Sympathisantin.
Inzwischen hatte ich jedoch vieles vergessen und konnte
meine Sympathie nicht mehr argumentativ begründen. In
meiner Buchhandlung erfuhr ich, dass ich nicht die
einzige war, die aufgrund der aktuellen Kämpfe im Nahen
Ostern „Exodus“ kaufen wollte. Der Nachfrageboom
machte eine Neuauflage - die einige Wochen später
erschien – erforderlich. Und wieder ließ mich das
Buch viele Tage lang nicht los.
Erzählt wird der lange mühsame Weg der Juden bis zur
Errichtung eines eigenen Staates in Palästina.
„Exodus“ hat eine doppelte Bedeutung. Es meint zum
einen den (bereits im 18. Jahrhundert begonnenen) Auszug
jüdischer Bevölkerungsgruppen aus ihren Heimatländern
(vor allem solchen in Osteuropa). Gleichzeitig ist
„Exodus“ der von Uris erfundene Name eines
Immigrantenschiffs, dessen Fahrt nach Palästina von dem
Haupthelden des Buches, Ari Ben Kanaan, trotz der
britischen Einwanderungs-Blockade erzwungen wird. Es gehört
zu den dramatischen Höhepunkten des Buches, wie es Ari
gelingt, im Jahr 1947 hinter dem Rücken der englischen
Militäradministration hunderte Kinder, die den
Holocaust überlebt haben, aus einem zypriotischen
Internierungslager auf das Schiff zu schmuggeln und sie
unter Einbeziehung der Weltöffentlichkeit ans Ziel zu
bringen.
Nach der nochmaligen Lektüre weiß ich nun wieder, dass
die Araber gern bereit waren, ihr unfruchtbares Land den
jüdischen Siedlern zu verkaufen. Und als es denen in mühsamer
Kollektivarbeit schließlich gelang, „blühende
Landschaften“ zu schaffen, mussten sie sich gegen die
permanenten Überfälle der Araber zur Wehr setzen. Die
Mehrheit der Israelis war nicht mehr dazu bereit, ihre
Vertreibung und Vernichtung in Schicksalsergebenheit
hinzunehmen - so wie das ihre Vorfahren seit
Jahrtausenden getan hatten. Der von Uris präsentierte
neue jüdische Sozialcharakter, der sich auf das 2. Buch
Mosis berufen kann: „… Auge um Auge, Zahn um
Zahn“, löste bei einer nicht davon Betroffenen wie
mir Bewunderung und Respekt aus.
Was der jüdisch-amerikanische Autor an historischen
Fakten und biographischen Recherchen zusammengetragen
und anhand (nach-)erfundener Lebensläufe in Handlung
umgesetzt hat, liest sich wie eine Mischung aus
Reportage und Kriminalroman. „Exodus“ wurde in 50
Sprachen übersetzt und kann als Riesenerfolg gelten.
Kritiker haben dem Autor historische Ungenauigkeiten und
anti-arabischen Rassismus vorgeworfen. Das mag richtig
sein. Doch mir ist ein spannend geschriebenes,
parteiliches Buch lieber als z.B. die historisch korrekt
recherchierte aber verwirrend und ermüdend geschriebene
Ariel Scharon-Biographie von Gadi Blum und Nir Hefez
(Hoffmann und Campe, 2006), die zeitlich an „Exodus“
anknüpft.
Erika Pillardy, 9. Jan. 2007
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