Dass
"Sommersturm" auf dem Münchner Filmfest 2004
den Publikumspreis von Bayern 3 erhalten hat erfreut,
umso mehr als dass das Thema dieses Filmes und dessen
Umsetzung so gar nicht in die oberflächliche und bunte
Kinowelt passen. Marco Kreuzpainter erzählt in seinem
zweiten Film die Geschichte eines Coming Outs, jedoch
nicht klischeelastig, sondern mit viel Empathie für
seinen Helden und angenehmer Unverkrampftheit.
Nun liegt der Roman zum Film vor, praktisch eine
Nacherzählung und doch wieder nicht, denn Buch und Film
wirken auch unabhängig voneinander. Als ideal erweist
sich die Kulisse der Handlung, ein Rudercamp, in welchem
sich Tobi mit seiner und der Mädchenmannschaft auf den
bevorstehenden Ruderwettkampf vorbereitet. Alle scheint
wie immer zu sein, die Jungs sind gut drauf und in
freudiger Erwartung des Wettkampfs. Achim, Tobis bester
Freund, verliebt sich jedoch in Sandra. Die heile Welt
einer jahrelangen Jungenfreundschaft beginnt erste Risse
zu bekommen. Tobi ist eifersüchtig. Doch auf wen? Auf
Achim oder Sandra? Er weiß es nicht und kann seine
ambivalenten Gefühle nicht einordnen. Als dann statt
der sehnten Mädchenmannschaft das schwule Berliner
Ruderteam "Die Queerschläger" anreist, gerät
Tobis emotionale Welt aus den Fugen.
Er möchte Anke nicht verletzen, die ihm ihre Liebe
gesteht, doch er fühlt sich auf seltsame Weise von den
jungen Männern des Berliner Ruderteams, vor allem von
Leo, angezogen.
Die Charakterisierung der Figuren, vor allem die des
Protagonisten Tobi (im Film gespielt von Robert
Stadlober) und die Einblicke in dessen zerrissene
Innenwelt, lassen glaubhaft die Konflikte nachfühlen,
die der junge Held durchleben muss, um den scheinbar
einfachen Satz "Ich in schwul." sagen zu
können. Doch zuvor unternimmt er den Versuch, Achim
seine Liebe zu gestehen. Ein einfacher Kuss, flüchtig
auf dessen Wange gehaucht, bringt diesen jedoch aus der
Fassung und lässt die bislang unsichtbaren Risse in
ihrer Freundschaft jäh auseinander bersten. Tobi ist
entsetzt ob der unerwarteten Reaktion seines Freundes.
Leo hat von Ferne alles beobachtet und versucht Tobi zu
trösten. Unerwartet brechen all die unterdrückten
Gefühle aus ihm heraus, das Verlangen, einen Mann
schön zu finden, ihn zu berühren und von ihm berührt
zu werden, sich ihm ganz hinzugeben. Diese neue
Erfahrung bringt Struktur in Tobis chaotische
Gefühlswelt. Zaghaft vorerst, doch immer deutlicher
ordnen sich in ihm die lang gehegten Ahnungen zur
Gewissheit.
Ein Buch zum Film
birgt immer die Gefahr in sich, die Filmhandlung einfach
nur nachzuerzählen.
Tim Moeck
versteht es jedoch auf eindringliche Weise, mittels einer
klaren Sprache und Vermeiden von allzu detailversessenem
Erzählen, das Kino im Kopf anzuregen. Somit hat jeder
Leser die Chance, seine eigene Version des
"Sommersturms" zu erleben. Torsten Seewitz,
11.09.2004
Informationen zum Film im Internet:
www.sommersturm.de |