Ostalgie
in Form von Filmen wie „Goodbye, Lenin“ liegt im
Trend und ruft vieles wie die Haselnusscreme Nudossi
und die Afri-Cola aus DDR-Tagen ins Gedächtnis zurück.
Doch während über den meisten dieser Erinnerungen ein
verklärender Nebel hängt, hat Claudia Rusch nun ihr
Debüt geschrieben, in dem sie sich zwar liebevoll, aber
auch durchaus kritisch ihrer eigenen Kindheit und Jugend
in der ehemaligen DDR nähert.
Rusch wurde 1971 in Stralsund geboren, lebte dann
in der Mark Brandenburg und später in Ostberlin. Ihre
Geschichten erzählen von ihrem katastrophalen
Jugendweihe-Kleid, den ungenießbaren, aber immerhin vom
KaDeWe importierten Hummern und von ihrer Vorliebe für
Raider aus dem Intershop. Doch auch während dieser amüsanten
Erinnerungen, schafft es Rusch mühelos, bissig und
ernst zu beobachten. „Er war groß und blond und hätte
zu anderen Zeiten sicher auch Arbeit gefunden. Sein Name
passte zu ihm. Er hieß Petzke“, schreibt sie
beispielsweise über ihren Klassenlehrer und seine Liebe
zum Vaterland.
Diese skeptische Haltung gegenüber der DDR wurde Rusch
praktisch in die Wiege gelegt. Schon ihr Großvater kämpfte
gegen das DDR-System und Rusch wuchs so in einer Welt
auf, die geprägt war von Abscheu und Liebe
gleichzeitig. Die Liebe zu ihren Eltern, besonders die
zu ihrer ebenfalls politisch aktiven Mutter, schimmert
zwischen allen Zeilen hindurch. Denn sie ermöglichte
ihr trotz Stasiüberwachung eine relativ unbeschwerte
Jugend. Mit Liebe zur DDR hat das bei Rusch allerdings
wenig zu tun, eher mit Abscheu. Zu allgegenwärtig war
stets die Angst, die Stasi könnte der systemkritischen
Familie und der aufmüpfigen Claudia mehr als nur den
Mund verbieten. „Blanker Hass fackelte in mir auf. Es
gibt Dinge, die kann ich der DDR nicht verzeihen. Das
Zerstören von Familien gehört dazu“, heißt es.
Innerhalb dieser räumlichen wie auch geistigen Enge
wird die Fähre, die täglich über die Ostsee nach
Schweden fährt, zu einem Synonym für unerfüllte Träume,
unerreichbare Länder und unerlaubte Reisen. Dieser
Drang nach Reisen zieht sich durch alle Erzählungen
hindurch, und Rusch verbindet auch hier Komik und
Kritik. Doch selbst wenn Rusch nichts verherrlicht, so fällt
sie nie ein Pauschalurteil über „die Ossis“. Sie
zeigt vielmehr auf, wie es trotz allem in der DDR sein
konnte – amüsant-kritische Nostalgie statt verklärter
Ostalgie. Von
Aliki Nassoufis / ana
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